Akkordeon Detail

Akkordeonale: Persönlicher Stand der Dinge

Liebe Freunde und Getreuen der Akkordeonale,

heute möchte ich euch einen Zwischenbericht schreiben, wie es Kristine und mir nach der Absage der Akkordeonale 2020 so geht. Und euch einen Überblick geben über meine Arbeit an der Akkordeonale. Wenn euch das nicht interessiert, könnt ihr die Mail gleich löschen, ohne weiterzulesen. (Mich interessiert auch nicht immer alles. ☺ )

Kurz gesagt, es geht uns bescheiden. Durch den Wegfall der Akkordeonale (und vorher der Abbruch des Irish Spring Festivals, dass wir auch betreuen und zweier Workshops) sind fast 90% unseres Jahreseinkommens weggebrochen. Wir gehören zu den Soloselbständigen, die durch sämtliche Raster fallen und nun mit leeren Händen dastehen – keine Hilfen von Bund oder Land (RLP). Vielleicht habt ihr die Diskussionen über Hilfen für Kreativschaffende in den Medien verfolgt.

Wir begrüßen natürlich das Rettungs- und Zukunftsprogramm des kulturellen Lebens in Deutschland, das gerade verabschiedet wurde – nur uns hilft das erstmal nicht. Wenn zwar die Veranstaltungsorte gerettet werden, aber nicht die Künstler – wer spielt dann demnächst da? Und von Hartz 4 können wir eben keine Akkordeonale finanzieren… allerdings bleibt halt nur die Grundsicherung ALG2. Aus vielerlei Gründen ist das für uns keine Option.

Wer die Mühle des Sozialamts kennt und mitbekommen hat, wie auch mit den vereinfachten Anträgen verfahren wird, wird wissen, dass es bedeutet sich dem auszuliefern. Zumal wir nicht arbeitslos sind, sondern aufgrund von Corona nicht arbeiten dürfen. So werden wir erstmal unsere Rücklagen für unsere minimale Rente aufessen, dann sehen wir weiter.

Einige Gedanken und ein Überblick zum Projekt Akkordeonale:

“Der Applaus ist das Brot des Künstlers

Ein Satz, der oft gedankenlos von Leuten gesagt wird, die ihr Brot nicht mit Kunst verdienen. Die ihr regelmäßiges Einkommen, ihre Pensionen und Bezüge, ihre Boni und Weihnachtsgelder, betriebliche Altersvorsorgen und andere Extras als selbstverständlich hinnehmen. Und es grassiert die Vorstellung, das Musikerdasein sei ein Lotterleben, spät aufstehen, Feiern mit Freunden bis tief in die Nacht und dann so nebenbei Musik machen.

Das Gegenteil ist wahr!

An jeder Akkordeonale-Tournee arbeite ich fast zwei Jahre.

Das beginnt mit der Entscheidung, welche Länder und Musikstile jeweils vertreten sein sollen. Es folgt ein oft langwieriger Prozess mit der Suche nach den Musikern. Also Durchforsten der jeweiligen Landesszene, Musiker finden, die musikalisch fit sind für das Akkordeonale-Niveau, die 5 Wochen ohne Pause unterwegs sein können und es durchhalten jeden Abend auf einer anderen Bühne zu stehen.

Dann sollen sie auch noch sozial und nett sein (keine Diven!), denn wir hängen fünf Wochen auf engstem Raum zusammen und für schöne lebendige Konzerte ist eine gute Grundstimmung unabdingbar. Mit dieser Suche bin ich schon allein 3 Monate beschäftigt und beginne damit zwei Jahre vor der entsprechenden Tournee.

Da geht's um Praktisches wie Allergien, Extrawünsche, CD-Versand, und welche CD dann, und muss man die dann verzollen… Es geht um Biografien, die Übersetzung auf Deutsch, gute Pressefotos (muss ich allein schon 1000 x nachfragen), der ganze Kleinkram eben.

Dann kommt die Diskussion wer was im Konzert spielt. Also welche Solos, was bringen die Musiker als Ensemble-Stücke mit. Und wer spielt welches Stück mit wem. Das Ganze läuft bei mir zusammen, die Musiker kennen sich untereinander ja noch nicht und haben nicht wirklich eine Vorstellung, wie die Akkordeonale funktioniert im Gesamten (trotz Filmmaterial). D.h. ich bin der einzige, der einen kompletten Überblick hat und ich entwickele das ganze Konzertprogramm. Dafür komponiere ich jedes Jahr auch 5 Stücke die bei der Akkordeonale zur Uraufführung kommen. Und zwar entsprechend dem, was im Programm noch fehlt. Die Musiker bekommen dann die Notenpakete mit ihren Stimmen und Aufnahmen als Hausaufgabe von mir zugeschickt.

Und ich muss natürlich das Programm auch einstudieren und proben. ☺ Ok, dann müssen die Flüge mit extra Sitz für die Instrumente gebucht, Versicherungen für manche Musiker abgeschlossen, gegebenenfalls Visafragen geklärt und beantragt werden, am Besten in 2-3 Sprachen, Verhandlungen mit dem Tourbus-Vermieter, Hotels, usw.

Dann noch Pressetexte erstellen und Webseite aktualisiert und mit dem Grafiker Plakate und Flyer fertig machen. Und durchgehend Austausch mit unserem Bookingsbüro, über das die Konzerte gebucht werden, wobei die Herausforderung ist, ein möglichst gutes Routing hinzubekommen. (Wir fahren pro Akkordeonale 8500 – 12000 Kilometer!)

Außerdem steht im Herbst die Produktion einer neuen CD, oder DVD, oder, wie für dieses Jahr, Notenbücher an. Das machen wir für euch, für die Freude, um mit euch in Kontakt und in der Erinnerung zu bleiben. (Der Verkauf deckt die Herstellungskosten, wirft aber kaum Gewinn ab.)

Dann kommt die Tournee!

Wir sammeln die Musiker am Flughafen ein, die lernen sich jetzt das erst Mal live kennen. Es folgen zwei Probentage, an deren Ende die Premiere steht. Unser Filmteam nimmt sie auf, ein Teaser wird erstellt, an alle Veranstalter geschickt und ins Internet gestellt. Und dann sind wir 5 Wochen unterwegs und spielen für euch! Das ist sozusagen die Rosen-Blüte der langen Vorarbeit (ihr merkt, ich war in den letzten Wochen viel im Garten).

Neben Kristines Tätigkeit als Künstlerin ackert sie fleißig an der Akkordeonale mit – ohne sie könnte ich das gar nicht schaffen. Die gesamte Verantwortung liegt nur auf unser beider Schultern. Auch finanziell. Wir bekommen keine Zuschüsse aus Kulturfonds o.ä.

Außer uns sind aber noch viele andere an der Akkordeonale beteiligt:

Unser Bookingsbüro Music Contact, 6 Musiker, Daniel, unser Tontechniker und Fahrer, Grafiker, Webmaster und Filmteam, die Veranstalter vor Ort mit Lichttechniker und weiterem Personal, der Tourbus-Verleih, Lufthansa, Deutsche Bahn, 36 Hotels mit je 7 EZ und 1 DZ, Restaurants und Catering-Services, Tankstellen und Raststätten — und ca. 12000 Zuschauer. Hab ich was vergessen? Diese alle sind ebenfalls vom Ausfall der Akkordeonale 2020 betroffen.

Da nach der Akkordeonale vor der Akkordeonale ist, beginnt nach Tourende auch sofort die Planung der folgenden Tournee mit regem E-Mail Verkehr mit den Musikern, die dabei sind, aber eben auch mit den Musikern für das Jahr darauf. Ein wellenartiger Prozess, der sich durch das ganze Jahr zieht.

Obwohl es uns miteinander gutgeht, steigt bei mir die Fassungslosigkeit und teils auch Wut, dass so viele Selbständige Musiker, Künstler und anderen wirtschaftlich kaputtnegiert und anscheinend als verzichtbar und als Bürger zweiten Rangs betrachtet werden.

Aber Not macht erfinderisch – und mit Corona kreativ: Kristine hat die Zeit genutzt und einen Ausstellungsfilm ihrer Kunstwerke gemacht. Im Garten. Mit meiner Musik. ☺

Vielleicht gibt es ja unter euch Kunstbegeisterte, die sich ein Werk leisten können und wollen. Oder ihr kennt jemanden, der sich interessiert. Oder ihr genießt einfach die Ausstellung. Unter folgendem Link findet ihr den Film auf ihrer Webseite, da gibt’s auch Infos zu den ausgestellten Kunstwerken:

Zu Kristines Website...

Ausstellung im Garten

Vielleicht möchtet Ihr uns auch einfach so unterstützen – wir freuen uns!
Alles hilft!

Kontoinhaber: Servais Haanen
Bank: Postbank Hannover
IBAN: DE24 2501 0030 0378 0463 01
BIC: PBNKDEFF
Betreff: private Spende

Wir wünschen uns trotz allem eine nahe Zukunft in der wir uns wieder begegnen können. Und bis dahin Masken auf und lachen!

Liebe Grüße aus der Pfalz,

Servais & Kristine

Servais und Kristine