Servais Haanen hat seine frühere Doppelheimat — Klassik und Folkmusik — weit hinter sich gelassen, und sich auf einen Weg gemacht, der steiniger ist als er zunächst wirken mag.
Denn er hat sich entschieden, seine musikalischen Ideen, die wie eine Mischung aus Minimal Music, Nachtbar-Jazz, Musette und der Liebe zum Empfindsamen funktionieren, auf dem diatonischen Knopfakkordeon umzusetzen.
Instrument
Für Nichtkenner der Akkordeonwelt sei dazu Folgendes erläutert: Das diatonische Akkordeon, auch als Ziehharmonika bekannt, ist ein Volksinstrument, das über zwei verschiedene Dur-Tonleitern und eine Moll-Tonleiter verfügt, sowie über die dazu gehörigen Bässe und Akkorde, um das Ganze zu begleiten.
Zum Glück hat Servais’ Instrument noch eine zusätzliche Reihe mit Halbtönen, wodurch sich noch andere Möglichkeiten ergeben. Außerdem ist das Instrument bitonal, das heißt, dass sich unter jedem Knopf zwei Töne befinden: Zug und Druck ergeben jeweils einen anderen Ton.
Traditionell ist das Instrument so gebaut, dass Folkstücke gut darauf zu spielen sind, anderes aber schwer bis gar nicht.
Servais Kompositionen und einfühlsame Arrangements dagegen sprengen oft diesen traditionell gesetzten Rahmen. Er lässt sein Akkordeon in Sphären vordringen, in denen es bisher nichts zu suchen hatte.
Nur mit erheblichen Tricks kann er die Klänge spielen, die er innerlich hört. Einfacher wäre es natürlich, ein chromatisches Instrument zu spielen. Servais empfindet es aber als Herausforderung, das diatonische Akkordeon als vollwertiges Instrument zu betrachten, auf dem alles geht — auch, wenn es eigentlich nicht geht…
Reduced
Vieles in seiner Musik ist auf die Grundaussage reduziert, und Servais ist bescheiden genug, ausufernde Soli, die sich buchstäblich aufdrängen, wegzulassen (für Mitspieler eine ungewohnte Herausforderung). Dadurch erreicht er eine bemerkenswerte Klarheit und Ausdruckskraft.
Extended
Welche Größe, Breite und Wucht in Servais’ zurückhaltenden Kompositionen versteckt ist, kann man beispielsweise in seinen arrangierten Ensemblestücken auf der Akkordeonale erleben. Spätestens hier wird klar, was seine Kompositionen sind: eine
Folklore Imaginaire, für die das Volk noch nicht gefunden ist.
Ensemble
Eine von Servais liebsten Beschäftigungen ist seine vielfältige Ensemblearbeit mit außergewöhnlicher bis unmöglicher Besetzung. (Man denke dabei an Kombinationen von z.B. Tuba, Geigen, Blockflöten, Schlagzeug, Flügelhorn, Occarina und Drehleier, oder 10 Harfen und ein Akkordeon…)
Dank seiner vielfältigen Bandarbeit, unter anderem mit
Appellation Contrôlée (Avantgarde),
Quatro Ventos (Fado und portugiesische Musik) und beim
KlangWeltenFestival (Weltmusik) sowie seiner Komponistentätigkeit für verschiedene Musiktheater-Produktionen und Dokumentarfilme, bringt Servais unterschiedlichstes Musikmaterial ins Spiel.
Mit großem Sachverstand und einer gehörigen Portion Humor führt er die Musiker fachgerecht in eine für sie bis dahin unbekannte musikalische Welt ein. Außerdem leitet er Akkordeon-Workshops zu verschiedensten Themen.
CD
Servais Haanens CDs “Cataract”, “Temporale”, “The other half oft he balance“, “Akkordeonale Compositions” und “Unknown Landscape” sowie weitere Informationen und Tonbeispiele finden Sie im
Akkordeonale-Shop.